Theaterkunst Talk
Tina Kloempken
Kostümbildnerin Tina Kloempken arbeitet seit ihrem Modedesign-Studium für verschiedene Film- und TV-Produktionen. So entwarf sie zum Beispiel Kostümbilder für Kinoproduktionen der Regisseure Oskar Roehler, Sebastian Schipper, Eddy Berger und Lars Kraume.
Seit 1999 ist sie vor allem an den Theaterbühnen zu Hause: Sie gastierte an den Schauspielhäusern in Zürich, Wien, München, Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Bochum, Dresden, Berlin und Hamburg. Für Meg Stuart, eine amerikanische Choreographin, realisierte sie zahlreiche, internationale Tanztheater-Produktionen. Für die Salzburger Festspiele, die Ruhrtriennale, Oper Bonn, Staatsoper Stuttgart und das Grand Théâtre de Genève entwickelte sie das Kostümbild für Opernproduktionen.
Am 25. Juli 2024 erscheint „Die Ermittlung“ im Kino, für das sie mit Unterstützung von Kostümbildassistentin Emily Schumann das Kostümbild entwickelt hat. Dem Kinofilm „Die Ermittlung“ unter Regie von RP Kahl liegt das gleichnamige Theaterstück von Peter Weiss zugrunde, das auf der Basis der Auschwitzprozesse 1963-65 in Frankfurt/Main entstanden ist.
Copyright: Aki Pfeifer, A Company / Leonine Studios
Portrait: Tina Kloempken
Theaterkunst
Tina Kloempken
Das Kostümbild für „Die Ermittlung“ war eine große Aufgabe für Dein Team und Dich. Wie habt ihr euch vorbereitet und wie war die Arbeit an den fünf Drehtagen mit einem 60-köpfigen Ensemble?
Dank der zahlreichen Dokumentationen über Auschwitz, Birkenau und die Auschwitz-Prozesse, konnte ich mich sehr gut auf dieses spannende Projekt vorbereiten. Vor allem das Fritz Bauer Institut in Frankfurt bietet einen hervorragenden Einblick in die Lebensgeschichten der daran Beteiligten. RP Kahl und mir war es wichtig, den Fokus auf die inhaltliche Aussage des Dramas zu legen und nicht so sehr ein zeitlich, korrektes Kostümbild zu erstellen.
Auffällig an dem Bildmaterial, das mir zur Verfügung stand, war aber, dass die sogenannten Häftlingszeugen, also die Insassen, viel moderner gekleidet waren. So kamen doch die meisten der Angeklagten und der Lagerverwaltungszeugen, ehemalige Angestellte des Lagers und daher den Tätern zuzuordnen, in ihren alten aus den 40er Jahren stammenden Anzügen daher. Es gab einen deutlichen Unterschied in der Materialität und Schnitte der Kleidung. Das war vor allem dem Umstand geschuldet, dass die meisten der Häftlingszeugen nach dem Krieg in die Metropolen weltweit emigrierten, sich modern und auf einem hohen Bildungsniveau weiterentwickelten. Dagegen wirkten die Angeklagten verstaubt und stehen geblieben in ihrer alten Zeit und Ideologie.
Diese Beobachtung habe ich zum Anlass genommen, diese Modernität im Kostümbild sichtbar zu machen. Keine gebrochenen Opfer, sondern mutige Menschen, die die Kraft besaßen, vor Gericht das Grausamste und Unvorstellbarste zu schildern und sich dabei den Blicken und Gelächter der Täter erneut zu stellen.
Die Drehtage waren aufgrund wochenlanger Vorbereitung in der Theaterkunst, vielen herzlichen Dank noch einmal dafür, meinem tollen Team, großartigen, liebenswerten Spieler*innen, zwar wuselig, aber als Teamarbeit herausragend, da für Alle das Projekt im Vordergrund stand.
In einem Spiegel-Interview hast du 2012 gesagt: „Das Kostüm darf nicht stärker als der Schauspieler sein und sich nicht in den Vordergrund drängen.“ Hältst du dich heute – 12 Jahre später – immer noch an diesen Grundsatz?
Das gilt grundsätzlich auch heute noch so, ist aber von Projekt zu Projekt unterschiedlich. So verlangen Arbeiten, wie die Nibelungen-Festspiele in Worms auf einer riesigen Bühne spielend, „mehr“ Kostüm. Trotzdem interessieren mich die subtilen, leisen Kostümarbeiten. Sie fallen vielleicht dem Zuschauer nicht auf, aber genau darin liegt die Kunst, wenn sich das Kostüm und die Charaktere zu einer homogenen Einheit verbinden. Das bedeutet mitunter viel Arbeit!
Du hast in den vergangenen Jahren viel am Theater gearbeitet. Gibt es für Dich einen Unterschied zwischen dem Kostümbild für ein Theaterstück und dem für einen Film?
Vor allem die Dynamik ist eine andere. Beim Drehen muss es schnell gehen. Ich habe die Schauspieler*innen nur für eine kurze Zeit und dann muss alles „sitzen“. Aber ich mag dieses Tempo sehr, es entspricht meinem Naturell. Die Proben zu einer Theaterarbeit dauern ca. acht Wochen, an dem das Team fast jeden Tag zusammen ist und entwickelt. Das bedeutet auch ein prozessnahes Arbeiten meinerseits. Man ist in einer ständigen Entwicklung und bis zur Premiere steht nichts fest, zumindest bei meinen Regisseuren. Auch das ist eine intensive und tolle Arbeitsweise.
Hast du das Gefühl, dass sich der Nachhaltigkeitsgedanke im Kostümbild in den vergangenen Jahren verändert hat?
Kostümbildner*innen arbeiten bereits lange nachhaltig. Vielleicht nicht aus dem populären und auch notwendigem Nachhaltigkeitsgedanken, sondern ganz einfach, weil getragene Kleidung lebendiger und charmanter ist als gekaufte. Meine Diplomarbeit habe ich `95 nur aus getrödelten Teilen zusammengesetzt und neu interpretiert, daher ist mir dieser Gedanke sehr vertraut.
Bei diesem Projekt wurde ich auf die Anforderungen einer Green Production hingewiesen und konnte diese, auf Grund des toll sortierten Theaterkunst-Fundus auch zu 99% bedienen. Allerdings ist unser Film auch historisch und damit war es mir leichter, den Ansprüchen gerecht zu werden.
Am Theater habe ich größere Möglichkeiten, Kostüme herstellen zu lassen und Einfluss auf die Stoffwahl und deren Verarbeitung zu nehmen. Die große Verfügbarkeit, Schnelligkeit und Preisgestaltung, die uns der Online-Handel bietet, sollte mehr überdacht und vor allem in Frage gestellt werden.
Was ist für Dich das Besondere an einem Kostümfundus wie der Theaterkunst?
„Die Ermittlung“ wurde, wie oben beschrieben, in nur fünf Tagen im Studio gedreht. Es galt 60 Schauspieler*innen, die von überall herkamen und uns daher nur ganz kurz, an einem ganz bestimmten Tag für ca. eine Stunde zur Verfügung standen, zu „verarzten“. Eine logistische Herausforderung, die meine geschätzte Assistentin Emily Schumann erfolgreich und stets gut gelaunt bewältigt hat.
Wir mussten eine große Vorauswahl treffen, also mindestens drei, vier oder auch fünf Outfits pro Spieler*in. Das bedeutet nicht nur sehr viel Platz, sondern auch eine große, qualitative Auswahl. All dies ist ausreichend in der Theaterkunst vorhanden, sogar ein eigener Arbeitsraum stand uns zur Verfügung – ohne Extrakosten. Da mit acht Kameras und in der höchsten Auflösung gedreht wurde, war es mir wichtig, dass die Kostüme genau passten.
Gefühlt jede Anprobe wurde von erfahrenden Werkstattmitarbeiter*innen liebevoll begleitet. Dazu kommt die sehr nette und familiäre Atmosphäre und Hilfe von allen Seiten, wenn es hektisch wurde.
Vielen Dank für das Interview und bis bald in der Theaterkunst!
Vielen Dank an Euch Alle!