Theaterkunst Talk

Mirjam Muschel

Kostümbildnerin Mirjam Muschel begann ihren beruflichen Weg mit einer Ausbildung zur Textilschneiderin, der ein Designstudium mit Kunst und Mode an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim folgte. Seit mehr als 25 Jahren ist sie im Bereich Kostümbild tätig. Zu ihren erfolgreichen Serien- und Filmprojekten zählten u.a. „Gestern waren wir noch Kinder“, „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“, „In Berlin wächst kein Orangenbaum“, „Der Zürich-Krimi“,„Die Himmelsleiter – Sehnsucht nach Morgen“.

Am 24. Oktober 2024 startet „Münter & Kandinsky“ in den Kinos, für den sie das Kostümbild gestaltet hat. Welche Besonderheiten es dabei gab und was es zum Thema Hüte zu berichten gibt, erzählt sie uns im Interview.

Copyright Portrait: Cordula Treml //Copyright Szenenbild „Münter & Kandinsky“: CCC Cinema und Television // Copyright „Gestern waren wir noch Kinder“: Walter Wehner / ZDF

Theaterkunst

Mirjam Muschel

Wie bist du an das Kostümbild von „Münter & Kandinsky“ herangegangen?

Das Kostümbild muss die Stimmung und Ästhetik der Zeit widerspiegeln, sowohl in Bezug auf die europäische Mode als auch auf die künstlerische Avantgarde. Das Herantasten an vorhandene Kostüme, gerade auch bei euch in der Theaterkunst, waren die ersten Berührungen für diese besondere Produktion. Vor allem das Ausprobieren der Formen und Schnitte an Körpern, ist für uns Kostümbildner:innen sehr wichtig. Das Recherchieren von originalen Kostümen aus dieser Zeit ist am Anfang elementar für mich, um ein Gefühl für Formen, Schnittführungen und Stofflichkeit zu bekommen.

Durch historische Dokumentationen und Fotografien von Münter, Kandinsky und ihren Zeitgenossen sind wir in die Zeit Anfang 1900 eingetaucht. Auch Musikwerke verschiedener Komponisten (Gustav Mahler, Antonín Dvořák, Arnold Schönberg) und Künstler:innen der Abstraktion (Wassily Kandinsky, Piet Mondrian, Robert Delauny) sowie des Expressionismus aus verschiedenen Ländern dieser Zeit haben uns inspriert. Die Recherche des „Blauen Reiters“, einer avantgardistischen Künstlergruppe Anfang des 20. Jahrhundert, war sehr spannend und hat uns viel über die damalige Gruppendynamik sowie den intensiven Austausch zwischen Künstler und Künstlerinnen gezeigt. Besuche des Münter-Hauses in Murnau und des Lenbachhauses in München, waren wichtige Stationen meiner Recherche. Es geht also oft weit über die Mode hinaus, um eine Epoche im Sinne des Kostümbildes zu verstehen und umzusetzen.

Dazu gibt es ein passendes Zitat von Gabriele Münter, das ich im Lenbachhaus in München gefunden habe: „Die Sprache der Natur ist eine andere als die Sprache der Kunst. Man kann von einer Sprache in die andere nur übersetzen, nicht abschreiben. Außer wörtlicher und freier Übersetzung gibt es noch die berechtige Form der Umdichtung.“ (Gabriele Münter)

Welche Vorbereitungen haben dein Team und du getroffen und wie lief die Arbeit am Set?

Mein Team hat historische Dokumente, Fotografien, Kunstwerke und Berichte aus der Zeit studiert, um ein tiefes Verständnis für ihre Kleidung, aber auch für ihre künstlerische Vision und ihre Beziehung zu entwickeln. Alle waren sehr motiviert, da wir uns freuten, diese Art von Projekt machen zu können. Jeder tauchte in die Zeit ein, um die Kostüme zu verstehen und auch zu wissen, welche Schwierigkeiten auftreten könnten. Gewisse „delikate“ Materialien waren nicht immer einfach in der schnellen und zeitintensiven Drehzeit unbeschadet zu behandeln. Mein Team spielte eine zentrale Rolle dabei, die historische Authentizität und die künstlerische Vision der Produktion zu verwirklichen. Die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen und die Fähigkeit, schnell auf unvorhergesehene Herausforderungen, wie z.B. Regen am Set mit historischen Kostümen plus Hüten, zu reagieren, machten diese Arbeit so dynamisch und anspruchsvoll.

Hat sich der Aufbruch der Moderne im Bereich der Kunst auch in der damaligen Mode und damit in den Kostümen des Films widergespiegelt?

Natürlich, der Aufbruch war eine Revolution und eine Öffnung des Frauenbildes und des Frauenkörpers, die Freiheit für Körper, Geist und Seele.

Mir war es wichtig, den Umbruch in der Frauenkleidung zu zeigen. Das Reformkleid, der Fahrradrock, das „Weglassen“ von beengten Miedern, gab Gabriele Münter in ihrer Welt die Beweglichkeit und Freiheit, welche sich mit den neuen Idealen erschließt. Die Frauenkleidung stößt im politischen, künstlerischnr und sozialen Konfliktfeld nach vorne. Das Korsett der Konvention wurde aufgebrochen und damit der Aufbruch in die moderne Zeit gegeben.

Die Einheit von Kunst und Leben, nach der die Reformbewegungen um 1900 strebten, inspirierte Künstler, mit dem Kleid der Frau künstlerisch umzugehen. Dies wird im Film durch einige Entwürfe experimenteller Kreationen von Kandinsky für Gabriele Münter deutlich hervor gehoben. Dadurch wird zugleich eine neue Ästhetik und Haltung zur Rolle der Frau aufgezeigt.

Das sogenannte Künstlerkleid, wie wir es bei Gabriele Münter im Hause von Marianne von Werefkin bei einem Konzert von Arnold Schönberg sehen, zeigt die Umbruchstimmung am beginnenden 20. Jahrhundert: die Dynamik der deutschen Reformbewegung, der Wiener Werkstätte und die daraus entstehende Haute Couture in Paris.

Du hast uns erzählt, dass auch die Hüte eine wichtige Rolle spielen. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Die Hüte standen nicht direkt im Fokus, jedoch waren sie ein wichtiger Bestandteil zu dieser Zeit. Der Hut und somit der gesamte Hutputz bezeichnete eine gesellschaftliche Stellung. Deswegen war es sehr schwierig, entsprechende Hüte zu finden. Mit dem Hut stieg damals die Stellung der Frau und des Mannes.

Eine große Bereicherung war es, mit Mayser Hüte arbeiten zu können. Michael Zechbauer, der Koproduzent von „Münter & Kandinsky“, hat es sogar ermöglicht, dass einige Hüte der Figur Gabriele Münter und Wassily Kandinsky speziell nach Bild angefertigt wurden.

Auch war es uns eine große Hilfe, dass wir Originalhüte in verschiedenen Antiquariten gefunden haben. Dazu gehören auch Hüte, die von verschiedenen Kostümhäusern kamen, viele auch von euch, der Theaterkunst.

Welchen Tipp würdest du Kostümbildner*innen geben, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen?

Besonders am Anfang wirst du oft mit kleinen Budgets arbeiten müssen. Nutze deine Kreativität, um aus wenig viel zu machen. Secondhand-Kleidung, Upcycling oder DIY-Techniken sind wertvolle Werkzeuge, um ein begrenztes Budget optimal zu nutzen. Unterstützt stets eure Arbeit und eure Visionen  mit Leidenschaft, Beharrlichkeit und Liebe zu den Details.

Vielen Dank für das Interview! Sehen wir uns wieder auf der Tanzfläche beim Filmpreis?

Auf jeden Fall! Ich freu mich drauf.