Theaterkunst Talk

Charlotte Willems

Die belgische Kostümbildnerin Charlotte Willems ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten ihres Heimatlandes. Sie begann ihre Karriere als Grafikdesignerin, doch vermisste den Kontakt zu Menschen. Das Gespür für Kleidung und Kunst wurde ihr schon in die Wiege gelegt: Ihre Mutter ist Textilkünstlerin und ihr Vater Architekt.

Charlotte studierte Kostümdesign an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten van Antwerpen. Zu ihren Arbeiten gehören unter anderem „Eleanor & Colette“ mit Hilary Swank und Helena Bonham Carter, “Spider in the Web” mit Sir Ben Kingsley und Monica Bellucci, “I Kill Giants” mit Zoe Saldana, Madison Wolfe und Imogen Poots sowie “How to Kill Your Sister”, der gerade Premiere in Cannes feierte.

Charlotte hat mit Oscar-prämierten Regisseuren wie Bille August, Brian De Palma und Anders Walter zusammengearbeitet. Ihre Herangehensweise an das Kostümdesign basiert auf dem Erzählen von Geschichten und zielt darauf ab, Charakter und Erzählung mit subtilen Details und emotionaler Tiefe zu unterstützen.

Die brittisch-belgische Serie „Bookish“ startet am 16. Juli in UK und im November auch in Deutschland. In sechs Folgen hilft Buchladenbesitzer Gabriel Book (Mark Gatiss) der Polizei, die schwierigsten Verbrechen im London der 40er Jahre zu lösen. Doch er selbst hat ein Geheimnis. Nachdem er die Liebe seines Lebens im Krieg verloren hat, scheint ihn seine Vergangenheit plötzlich einzuholen und stellt ihn vor ein Rätsel, das selbst für ihn unlösbar scheint.

Copyright Portrait: Charlotte Willems // Filmfotos: „Eleanore & Colette“ – Bernd Spauke // „I kill giants“ – Umedia // „Bookish“ – UKTV Kevin Baker

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Charlotte Willems

In UK startet im Juli die Serie „Bookish“, die 1946 spielt. Eine zweite Staffel ist schon in Auftrag gegeben. Was ist das Besondere an der Serie und wie bist du an das Thema Kostümbild herangegangen.

Das London der Nachkriegszeit bildet den Hintergrund der Geschichte und ich habe mich den Charakteren mit einem Hauch von Humor genähert – ein bisschen schrullig, aber nie übertrieben. Das Drehbuch selbst enthält diesen typisch britischen Humor. Ich wollte diesen Ton durch kleine, subtile Details in den Kostümen widerspiegeln. Es war wichtig, der Epoche treu zu bleiben und gleichzeitig den Figuren einen unverwechselbaren Charme zu verleihen, der ihre Individualität und die spielerische Seite der Erzählung unterstützt.

Wie würdest du den Stil der Kostüme in „Bookish“ beschreiben? Gibt es Charaktere in „Bookish“, bei denen das Kostüm besonders viel über die Figur erzählt?

Es gibt definitiv einige Charaktere, die hervorstechen – entweder wegen ihrer Komplexität oder wegen der visuellen Wirkung, die wir erzielen wollten. Ohne zu viel zu verraten… einer der spaßigsten Aspekte von „Bookish“ war das Design für eine Geschichte, die sich teilweise an einem Filmset der 1940er Jahre abspielt. Wir mussten die gesamte Crew am Set einkleiden – Filmtechniker, Sparks, Grips, Statisten – alle im akkuraten Look der 1940er Jahre. Darüber hinaus hatten die Hauptdarsteller auch Szenen im „Film-im-Film“, von denen einige in schwarz-weiß gedreht wurden. Es war eine interessante Herausforderung, die richtige Balance zwischen Farben und Texturen zu finden, so dass die Kostüme in schwarz-weiß wunderbar zur Geltung kamen, sich aber auch nahtlos in die Gesamtwelt von „Bookish“ einfügten, wenn wir uns zurückzogen und das Filmset als Teil der Erzählung sahen. Es war eine vielschichtige, spielerische Designübung, die mir wirklich Spaß gemacht hat.

Was an deinem Beruf liebst du am meisten?

Am meisten liebe ich es, mich völlig in einem Drehbuch zu verlieren. Wenn ich es lese, öffnet es sich oft visuell in meinem Kopf – eine Mischung aus Farben, Texturen, Geräuschen… Ich kann fast spüren, wie die Szenen gedreht werden. Meine größte Leidenschaft ist es, eine Figur durch Kostüme zum Leben zu erwecken und dafür zu sorgen, dass sich der/die Schauspieler*in in seiner/ihrer Darstellung voll und ganz unterstützt fühlt. Ich arbeite auch gern eng mit dem Produktionsdesigner zusammen, damit wir jedes Bild gemeinsam gestalten und Bedeutungsebenen schaffen können, um das Unterbewusstsein des Zuschauers anzusprechen. Kostüme haben wie Musik die gleiche unsichtbare Kraft, Gefühle hervorzurufen, ohne ein Wort zu sagen. Ich liebe die Tatsache, dass ich mit Staunen und offenen Augen in neue Welten und Geschichten eintauchen kann – und die glückliche Fügung, unerwartete Teile zu finden, manchmal sogar aus dem Fundus, wenn man es am wenigsten erwartet, kann das Design in aufregende und unerwartete Richtungen lenken.

Was schätzt du besonders an einem Kostümfundus?

Ich mag es, Stücke aus verschiedenen Kostümhäusern zu mischen, um einen einzigartigen Look zu kreieren – jedes Haus hat seine eigenen Stärken und seinen eigenen Charakter, mit bestimmten herausragenden Stücken, die dazu beitragen, einen bestimmten Stil zu formen. Die Zusammenarbeit mit Theaterkunst ist immer ein Vergnügen: Die Mitarbeiter*innen sind unglaublich freundlich, alles ist gut organisiert und sauber und die Kostüme sind nach Größen sortiert, was wirklich hilft, wertvolle Zeit bei der Auswahl der Outfits zu sparen. Die Möglichkeit, maßgeschneiderte Entwürfe im Haus anfertigen zu lassen, ist ebenfalls ein fantastischer Vorteil. Das ermöglicht eine größere Präzision und Kreativität, wenn man eine Vision mit Leben füllen möchte.

Welchen Tipp würdest du Kostümbildner*innen geben, die am Anfang ihrer Karriere stehen?

Ich glaube fest daran, die Dinge langsamer anzugehen, damit man die Chance hat, gemeinsam mit anderen zu lernen. Jede Rolle in der Kostümabteilung ist wichtig. Sie alle summieren sich und sind für das Endergebnis gleichermaßen wichtig. Es ist wichtig, Drehbücher gründlich zu lesen, tief in die Recherche einzutauchen und die Welt zu verstehen, zu deren Aufbau man beiträgt. Das Einkleiden einer großen Anzahl von Statisten mag wie eine weniger glamouröse Aufgabe erscheinen, aber es ist tatsächlich eine der besten Möglichkeiten, um schnell zu lernen, besonders wenn man mit historischen Kostümen arbeitet. Es schult dein Auge, schärft deine Instinkte und hilft dir, die Epoche „in die Finger zu bekommen“, wie wir sagen.

Viele Grüße nach Belgien und vielen Dank für das Interview!

Vielen Dank für das schöne Gespräch. Es ist immer eine Freude, die eigene Arbeit zu reflektieren und einen kleinen Einblick in die Welten zu geben, die wir erschaffen dürfen.