Theaterkunst Talk

Hannah Leiner

Hannah Leiner studierte Modedesign, absolvierte im Anschluss ein Volontariat im Kostümbild beim Westdeutschen Rundfunk. Seither stattete sie zahlreiche Serien- und Filmproduktionen aus, darunter „How to Sell Drugs Online (Fast)“, „King of Stonks“, „Pauline“, „Kroymann“ und die ZDFneo-Serie „Späti“. 2025 gestaltete sie das Kostümbild für die Kinoverfilmung von Elfriede Jelineks Roman „Die Liebhaberinnen“.

Auf ZDFneo und in der ZDF Mediathek ist aktuell die Serie „Späti“ mit Wilson Gonzalez Ochsenknecht und Gülseren Erkut in den Hauptrollen zu sehen. Die Berliner lieben ihre Spätis! So auch Fred, der kurzerhand seinen Lieblingsspäti übernimmt, als dessen Besitzer für einige Zeit ausfällt. Doch die plötzliche Verantwortung bringt ihn schnell an seine Grenzen: schräge Gäste, allwissende Stammkunden und eine Hausbesitzerin, die den Laden am liebsten loswerden will.

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Hannah Leiner

Endlich hat das Phänomen „Späti“ die Ehre bekommen, die ihm gebührt: eine eigene Serie. Was waren deine ersten Gedanken für das Kostümbild?

Das Setting ist fast wie ein Kammerspiel – alles spielt in diesem einen Späti-Kosmos, einem visuell sehr dichten Raum. Für mich lag die Herausforderung darin, Figuren zu schaffen, die sofort lesbar sind – ohne in Klischees abzurutschen. Man sieht sie nie in ihrer eigenen Welt, sondern immer nur im Späti, deshalb musste das Kostüm auf den ersten Blick etwas über sie erzählen.

Gleichzeitig ist dieser Raum selbst extrem unruhig, mit vielen Farben, Produkten und Labels. Wir sind dieser Reizüberflutung nicht ausgewichen, sondern mitgegangen – über Mustermix und Farbklänge, die sich auch im Szenenbild wiederfinden. So entstand ein organisches Gesamtbild.

Und wie hast du diesen speziellen Look umgesetzt? Gibt es diesen typischen „Berlin“-Look?

Was ich durch Beobachten gelernt habe, egal wo, ist: Es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt. Und gerade in Berlin zeigt sich das besonders stark. Deshalb gibt es für mich nicht den einen Berlin-Look, sondern viele sehr charakteristische. Die Serie bringt Figuren aus ganz unterschiedlichen Szenen und Milieus zusammen: Clubkultur, Kunstszene und Prenzlauer-Berg-Yoga-Welt treffen zum Beispiel aufeinander.

Für die dritte und die aktuelle vierte Staffel von „How to Sell Drugs Online (Fast)“ bist du ebenfalls für die Kostüme verantwortlich. Was macht den besonderen Look der Serie aus?

Ich liebe an der Serie, dass es so viele unterschiedliche Figuren gibt, die sich über die Staffeln hinweg stark weiterentwickeln. Das macht es im Kostümbild besonders spannend, weil man visuell mit diesen Entwicklungen mitgehen kann. Kira zum Beispiel ist inzwischen Mutter, Programmiererin und eine extrem eigenständige Frau – sie wird immer individueller, und das spiegelt sich in ihrer Kleidung wider.

Auch Lenny ist inzwischen Vater – und trotzdem wollten wir seine Nerd-Vergangenheit sichtbar lassen. Er trägt weiterhin nerdy Computer T-Shirts, die wir teilweise selbst gestaltet haben.

Und obwohl die Serie oft in alltäglichen Räumen spielt, bleibt sie visuell lebendig. Kleine Brüche, persönliche Details, charakterbezogene Farbkonzepte – das macht die Figuren glaubwürdig und den Look abwechslungsreich.

Was schätzt du besonders an einem Kostümfundus?

Ich schätze an einem Fundus, dass dort unterschiedlichste Jahrzehnte und Stile unter einem Dach versammelt sind. Für mich ist das pure Inspiration – ein Ort, an dem Materialien, Schnitte und Zeiten in Bewegung geraten.

Ein Beispiel ist die Figur Lilith aus Pauline, gespielt von Andrea Sawatzki. Für sie haben wir ein historisches Spitzencape aus dem 19. Jahrhundert mit sehr modernen, körpernahen Teilen der Berliner Designerin Kasia Kucharska kombiniert. Und plötzlich merkt man: Diese völlig gegensätzlichen Elemente funktionieren ganz toll nebeneinander.

Ich gehe mit klaren Vorstellungen ins Fitting, lasse aber Raum für Spontanes. Ein Fundus ermöglicht genau das: unerwartete Kombinationen, neue Impulse – er macht Kreativität unmittelbar erlebbar.

Was hat dich dazu inspiriert, diesen Beruf zu wählen?

Mich hat fasziniert, dass man mit Kleidung etwas über eine Figur erzählen kann – noch bevor sie überhaupt spricht. Im Kostümbild geht es nicht nur um Ästhetik, sondern um Haltung, Geschichte, Milieu, um Entwicklung und Kontrast.

Besonders schön ist es, wenn diese visuelle Erzählung mit den anderen filmischen Gestaltungsmitteln zusammengeht – wenn alles miteinander greift. Und genau das liebe ich an dem Beruf: das Gemeinsame. Das Zusammenspiel vieler Gewerke, das Vertrauen, das darin steckt – und das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.

Vielen Dank für das Interview! Bis bald!

Danke euch auch herzlichst und bis bestimmt ganz bald!