Theaterkunst Talk

Uli Simon

Kostümbildnern Uli Simon hat inzwischen mehr als 60 Produktionen mit ihrem außergewöhnlichen Gespür für Kleidung, Stoffe und fundiertem historischen Kostümwissen ausgestattet. Am 19. Oktober 2023 ist Margarethe von Trottas „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ mit Vicky Krieps als Protagonistin und Ronald Zehrfeld als Max Frisch in den Kinos gestartet.
Wir haben unsere Fragen in ihre Wahlheimat Luxemburg geschickt und freuen uns, dass sie sich die Zeit dafür genommen hat. Denn aktuell arbeitet sie schon am nächsten Projekt…

© Matic Zorman

Theaterkunst

Uli Simon

Im Film durchleben Ingeborg Bachmann und Max Frisch verschiedene Phasen ihrer Beziehung. Es geht dabei auch um das Verstummen einer großen Schriftstellerin und ihre Selbstbehauptung in einer Zweierbeziehung. Wie hat sich diese Entwicklung der Figuren auf die Kostüme ausgewirkt?

Ingeborg Bachmann war eine Frau, die einen ausgefallen Geschmack hatte für die Zeit, in der sie lebte. Es bereitete ihr Freude, sich für die Männer schön zu machen. Die Art wie sie sich kleidete, schien zu vermitteln, dass sie über ein großes Selbstvertrauen verfügte.

Die Beziehung zu Max Frisch dauerte von 1958 bis ca. 1961 – wenn ich mich recht erinnere. Da wir die Geschichte während ihres Aufenthalts in der Wüste als Rückblick erzählen, haben wir auch versucht darzustellen, wie sich eine Frau in einem für damalige Zeiten so fernen Land anziehen würde.

Wir haben auch versucht, mit Hilfe der Kleidung eine Entwicklung ihres Aufenthaltes zu vermitteln. So hat sie bei ihrer Ankunft in der Wüste erstmal noch ihre Kleidung aus Europa an, die so gar nicht für ein Leben dort geeignet ist. Jedoch passt sie sich im Laufe des Urlaubs an und lässt sich in die neue Umgebung fallen. Ihre Kleidung wird bequemer. Sie befreit sich etwas aus den Fesseln der damaligen Zeit und dem Frauenbild.

Aber auch hier versucht sie mit ihren Reizen die Männerwelt zu verzaubern, wann immer es nötig ist. Dies fiel nicht schwer, denn Vicky Krieps ist eine sehr charmante und schöne Frau. Die Kleider der Zeit sind wunderbar an Vicky und da Vicky eine sehr schlanke Figur hat, konnten wir viele Originalkleider für ihre Kostüme verwenden. Das war wunderbar.

Einige Kleider habe ich auch für sie anfertigen lassen, so wie das rosa Kleid vom Anfang, wenn sie Max Frisch zum ersten Mal trifft. Oder das grüne Kleid beim Tanz in der mexikanischen Botschaft, das beinahe in Flammen aufgeht, sowie einige andere Kostüme, die wir nicht in Kostümhäusern finden konnten.

Einige Kleider habe ich auch für sie anfertigen lassen, so wie das rosa Kleid vom Anfang, wenn sie Max Frisch zum ersten Mal trifft. Oder das grüne Kleid beim Tanz in der mexikanischen Botschaft, das beinahe in Flammen aufgeht, sowie einige andere Kostüme, die wir nicht in Kostümhäusern finden konnten.

Max Frisch hingegen war für mich auch klar, nachdem wir die richtige Brille für ihn gefunden hatten. Ronald Zehrfeld ist ganz im Gegensatz zum ersten Frisch sehr groß, doch das hat im Film dann am Ende wie ich finde nicht wirklich gestört. Die Brille hat ihn sofort zu Max Frisch gemacht. Auch für Ronald haben wir ein paar Kostüme in eurem Fundus gefunden und was noch fehlte, wurde angefertigt.

Es war wunderbar, in die Zeit einzutauchen und vor allem mit der wunderbaren Margarethe von Trotta zu arbeiten. Sie gab mir stets freie Hand und so bekam ich im Laufe meiner Arbeit ein sicheres Gespür für die Rollen.

Das war eine fantastische Erfahrung, auf die ich sehr stolz bin. Ich bin gespannt, wie der Film im Kino ankommt und freue mich jetzt, dass es endlich soweit ist. Nach der Premiere im Februar auf der Berlinale hatte ich zumindest schonmal die Gelegenheit, mir das fertige Ergebnis anzuschauen. Ich finde den Film wunderbar! Vielleicht auch, weil ich an all diesen unbeschreiblichen Drehorten mit dabei sein durfte!

Im Sommer haben Sie die Dokumentation „Die Spaltung der Welt“ mit Kostümen ausgestattet. Dort werden die Jahre 1939 bis 1956 neu erzählt. Was war das Besondere an diesem Projekt und muss das Thema Kostümbild bei einer Dokumentation anders gedacht werden als bei einer fiktionalen Erzählung?

Ja, auf jeden Fall, denn hier handelt es sich um Menschen und ihre Momente, die versucht werden, so realistisch wie möglich darzustellen. Insgesamt waren es 70 Darsteller*innen und ca. 400 Kompars*innen. Insgesamt sechs Hauptdarsteller*innen, die sich im Zeitraum 1939-1956 bewegen und auf sechs Episoden verteilt werden. Diese Geschichten in nur 40 Drehtagen zu erzählen…da muss sehr schnell gearbeitet werden. Auch hier hat euer Haus uns mit wunderbaren Kostümen und einem tollen Team zur Seite gestanden. Die Regisseure waren sehr zufrieden mit der Auswahl der Kostüme und wir konnten bis auf ein paar spezifische Teile fast alles in der Theaterkunst finden. Für eine so schnelle Arbeitsweise ist es ein großer Vorteil, wenn man vieles an einer Stelle finden kann. Der Unterschied zwischen Fiktion und Dokumentation liegt in der Genauigkeit der Wirklichkeit, die dargestellt werden soll und in der enormen Geschwindigkeit. Die beiden Regisseure haben sich aber auch hier manchmal für eine Interpretation entschieden, was mich sehr gefreut hat. Also war die Arbeit dennoch mit etwas Freiraum für die Kunst offen.

Was ist für Sie das Besondere an Ihrem Beruf?

Ich mag an meiner Arbeit, dass ich immer in eine neue Welt eintauchen darf, die für die Dauer des Drehs auch irgendwie meine Welt ist.

Welche Vorteile hat ein Fundus wie die Theaterkunst für Sie?

Es gibt bei euch einen schier unendlichen Schatz an authentischen Kostümen. Ich komme immer gern in euer Haus und schätze die Auswahl und das Team sehr.

Vielen Dank für das Interview und bis bald in der Theaterkunst!

Bis bald!